Brief an einen Unbelehrbaren

Warum ein negatives Gutachten bei über 2 Promille???

Sehr geehrter Herr XY,
Ihr Gutachten ist negativ ausgefallen, weil Sie Ihren Alkoholkonsum bagatellisierten und vor dem Gutachter nicht einräumten, zumindest regelmäßigen Alkoholmissbrauch betrieben zu haben. Ihre Angaben widersprechen allen Erfahrungswerten und Statistiken. Um einen Promillewert von 2,2 zu erreichen, muss der gewohnheitsmäßige Alkoholkonsum schon erheblich gewesen sein. Ein sogenannter Normaltrinker, als den Sie sich ja bezeichneten, erreicht nur sehr selten einen Wert von 0,8 o/oo und wenn überhaupt, dann fühlt er sich richtig mies und ist zu nichts mehr in der Lage. Alkoholkonsumenten, die im gesellschaftlich akzeptierten Rahmen Alkohol trinken, haben eine Sperre, die meist bei ca. 0,5 o/oo bereits einsetzt und dann weiteres Trinken verhindert. 
Die einzige Möglichkeit, ein positives Gutachten zu erlangen, besteht darin, sich ernsthaft mit dem Alkoholkonsum in der Zeit vor der Auffälligkeit im Verkehr auseinanderzusetzen. Der gemessene Wert setzt eine hohe Alkoholgewöhnung voraus, welche zu einer Toleranzentwicklung (immer mehr für die gleiche Wirkung) geführt hat, weshalb Sie überhaupt in der Lage waren, noch ein Fahrrad zu bedienen. Es spielt hier auch keine entlastende Rolle, ob Fahrrad oder Auto. Die absolute Fahruntüchtigkeit beginnt für Radfahrer bei 1,6 o/oo. Es ist auch nicht Voraussetzung für die MPU, dass man am Straßenverkehr teilgenommen hat. Auch eine polizeilich festgestellte Auffälligkeit im hohen Promillebereich als Fußgänger kann zum Entzug der Fahrerlaubnis führen.

Weiterer Minuspunkt während Ihres psychologischen Gesprächs: 
Der Gutachter erwartet keinesfalls, dass Sie sich genau erinnern, wieviel Sie getrunken haben, er erwartet aber, dass Sie dies nachvollziehen und z.B. mittels der Widmark-Formel errechnen können. Diese Formel ist recht einfach und ermöglicht eine ziemlich genaue Bestimmung der Trinkmenge in Gramm reinem Alkohol unter Berücksichtigung Ihres Körpergewichts und der Eleminationszeit (Abbau pro Stunde ca. 0,10 – 0,15 o/oo). Allein damit sammelt man eine Menge Pluspunkte.
Es ist dringend erforderlich, ab sofort keinen Alkohol mehr zu konsumieren und sich für ein Abstinenzprogramm über ein Jahr bei der Rechtsmedizin anzumelden. Zusammen mit einer veränderten Einstellung wie oben geschildert, gibt es keinen Grund mehr, die MPU nicht zu schaffen. 
Meiner Meinung und Erfahrung nach, kommen Sie mit der Absichtserklärung eines kontrollierten Trinkens nicht weiter und werden erneut ein negatives Gutachten kassieren. 

 

Typisches Telefongespräch (klingt komisch, kommt aber genauso vor)

Anrufer: Hallo, ist da die MPU Vorbereitung?

Ich: Ja, Sie sind hier genau richtig.

Anrufer: Alsooooo, mir haben sie vor zwei Jahren den Führerschein abgenommen.

Ich: Was ist denn der Grund für den Entzug der Fahrerlaubnis?

Anrufer: Hab gekifft und bin dann gefahren und erwischt worden, brauche meinen Führerschein jetzt ganz schnell wieder.

Ich: Schnell geht jetzt erstmal gar nichts. Wie hoch waren denn die Werte, die bei der Blutprobe festgestellt wurden?

Anrufer: Ähhhm, Moment (raschelt mit Papier), find ich jetzt nicht, aber ich glaube so 10 ungefähr.

Ich: Zehn was? Aktiver THC-Wert oder COOH-Wert, gemessen in Nanogramm?

Anrufer: Hä, wasn das?

Ich: Also der aktive THC-Wert bestimmt, ob man unter Rauschwirkung gefahren ist und der COOH-Wert gibt Erkenntnis darüber, ob die Person gelegentlich konsumiert oder Dauerkonsument ist.

Anrufer: (Papier raschelt wieder), ach so! Also hier steht sowas von 13 THC und 120 COOH.

Ich: Hm, ziemlich hohe Werte. Das bedeutet Abstinenztests von 6 bis 15 Monaten, je nach Konsummuster, und dann erst zur MPU. Gehen Sie zu einem forensisch akkreditierten Labor und lassen sich informieren. Sie nehmen dann an einer Testreihe teil und bekommen darüber eine Bescheinigung, die Sie dem MPU-Gutachter vorlegen. Wenn Sie Zeit sparen wollen, können Sie auch für je ein halbes Jahr rückwirkend per Haaranalyse Ihre Abstinenz beweisen und machen dann in sechs Monaten eine weitere Analyse (evtl. nach drei Monaten noch eine). Dann haben Sie den nötigen Zeitraum zusammen und dabei noch Zeit gespart.

Anrufer: Das dauert aber viel zu lang.

Ich: Ohne schaffen Sie es aber nicht ein positives Gutachten zu bekommen. Wann haben Sie denn zuletzt gekifft?

Anrufer: Ich glaube, das war vorgestern.

Ich: (och nee) Dann geht das nicht rückwirkend mit Haaranalysen. Dann müssen Sie mehrmals zur Urinanalysen und das dauert dann jetzt halt doppelt so lange. Oder NACH einem halben Jahr ohne Drogenkonsum zur ersten Haaranalyse. 

Anrufer: Das geht gar nicht, ich brauch den Führerschein JETZT! Das kann doch alles nicht wahr sein.

Ich: Leider ist das aber so. Ihre Werte beweisen ja, dass Ihr Konsum ziemlich intensiv war und da müssen Sie dem Gutachter schon beweisen, dass Sie jetzt clean sind und damit Ihr Verhalten grundlegend geändert haben.

Anrufer: Ich mach das ja jetzt nicht mehr.

Ich: (und was war vorgestern?) Das glaubt der Gutachter nicht ohne die Tests. Der wird ja sowieso dauernd belogen, weil die meisten sich nicht ändern, sondern nur den Führerschein zurückhaben wollen. So funktioniert MPU aber nicht!

Anrufer: (Jetzt schon ziemlich sauer). Aber das ist doch alles Willkür, die können sich doch nicht alles erlauben.

Ich: Doch können sie, Sie haben sich ja auch erlaubt, bekifft zu fahren und andere in Gefahr zu bringen.

Anrufer: Sie haben doch keine Ahnung, da habe ich im Internet aber was ganz anderes gelesen.

Ich: Aha, na dann muss es ja stimmen.

Anrufer: Es ist ja gar nichts passiert, ich hab keinen Unfall gebaut und bin gut gefahren. Ich werde Ihnen beweisen, dass es auch einfacher geht. Ich krieg den Führerschein bestimmt auch ohne diese blöden Tests wieder. Der Gutachter wird mir glauben, dass ich das nicht wieder tue. Das hat mir gereicht, es war bis jetzt schon teuer genug und meinen Job als Fahrer hab ich auch verloren. Der Gutachten wird sicher verstehen, dass ich dringend einen Führerschein brauche.

Ich: (gebe auf) Okay, dann viel Glück dabei.
Anrufer: Sie werden es schon sehen. Ich komm dann vorbei und zeig Ihnen meinen Führerschein!!!

Ich denke: Träum weiter!

 

Missbrauch, Abhängigkeit, Krankheit

  • Missbrauch ist ein Konsumverhalten, das zu physischen und psychischen Gesundheitsschäden führt. In diesem Stadium kommt es bei Absetzen noch nicht zu körperlichen Entzugserscheinungen. 
  • Bei der Abhängigkeit besteht ein unwiderstehliches Verlangen nach dem Konsum einer Substanz (psychische Abhängigkeit). Es entwickelt sich eine Toleranz (man verträgt mehr, macht braucht mehr, um eine Wirkung zu erzeugen), beim Absetzen entstehen körperliche Entzugserscheinungen. 
  • Krankheit ist eine Kombination aus Abhängigkeit und gravierenden körperlichen Schäden (Leberschaden bei Alkoholkranken) 
  • Das Suchtpotenzial ist die Wahrscheinlichkeit mit der ein Stoff eine Abhängigkeit erzeugen kann. Sollte bei Ihnen der Entzug der Fahrerlaubnis aufgrund von Alkohol oder Drogen im Straßenverkehr erfolgt sein, ist es unbedingt erforderlich zu klären, wie intensiv und gewohnheitsmäßig ihr Alkohol- oder Drogenkonsum wirklich ist. Die bei der Blutuntersuchung ermittelten Werte geben hierüber bereits einen Teil des Aufschlusses. Im Vorbereitungsgespräch lässt sich ermitteln, ob sie im gesellschaftlich akzeptierten Rahmen Alkohol konsumieren, im Probierstadium gelegentlich Cannabis konsumiert haben, harte Drogen nehmen oder ob Sie bereits Missbrauch betreiben oder das Stadium einer Abhängigkeit erreicht haben. 


Das (gewohnheitsmäßige?) Konsumverhalten und der Grad der Abhängigkeit lassen sich anhand von speziellen Fragen, die durch die WHO entwickelt wurden, ziemlich genau definieren. Als Vorbereitung auf die MPU wird Ihnen nichts anderes übrig bleiben, als sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen. Auf diese Weise kommen wir zur Antwort auf die Frage: „Wo stehe ich eigentlich?“. 

Abgesehen davon, dass der Gutachter von Ihnen erwartet, dass Sie Ihren „Stoff“ und Ihr persönliches Konsumverhalten genau kennen, kann man nun entscheiden, welche weiteren Maßnahmen vor Antritt der MPU getroffen werden müssen (Art und Dauer eines Abstinenznachweises, Hilfe durch Suchtberatungsstellen, Therapie). 

Bei Werten von über 1,6 Promille im Blut werden Sie um einen lückenlosen Abstinenznachweis über den Zeitraum von einem Jahr nicht herumkommen, ebenso bei Wiederholungstaten in Bezug auf Alkohol. Wie und wo das abläuft, bekommen Sie ausführlich von mir erklärt. 

Feste Veränderungsabsichten lassen sich durch Abstinenznachweise manifestieren. Sie können dem Gutachter zwar erzählen, dass Sie „clean“ sind, er wird es Ihnen aber wahrscheinlich ohne Nachweis nicht glauben. Je nach Untersuchungsanlass der MPU ist nicht nur eine Abstinenz von Alkohol und Drogen, sondern auch die künftige „Abstinenz“ von rechtswidrigem Verhalten (z. B. riskante Fahrweise, Rasen, Drängeln) überzeugend darzulegen.

Hilfreiches zum Thema Alkohol: http://www.alkoholfrei-leben.com

http://www.burkhard-thom.de/index.htm